Flachsanbau: Konventionell oder ökologisch?

Ist konventionell angebauter Flachs bereits so „umweltfreundlich“, dass er als ökologisch hochwertiger Rohstoff gelten kann?
Diese Meinung ist jedenfalls weit verbreitet, sowohl bei Käufern als auch bei Herstellern von Produkten aus Leinen. Die Ursache hierfür ist in den Umweltansprüchen dieser uralten Kulturpflanze zu suchen: Sie ist sehr genügsam und mag es nicht, wenn ihr zu viel Stickstoff vorgesetzt wird. Diesen „dankt“ sie mit zu langen und zu weichen Pflanzen. Außerdem fordert der Flachs von Natur aus eine weit gestellte Fruchtfolge ein. So wurde er früher nur alle sieben Jahre auf dem gleichen Acker angebaut, weil sonst die zur Herstellung von Leinen verwendeten Pflanzenfasern, vor allem wegen Pilzbefall, häufig eine schlechte Qualität hatten.
Fazit ist, dass die Flachspflanze für ihr Gedeihen von Haus aus die Bedingungen einfordert, die dem ökologischen Landbau entsprechen: Maßvolle Düngung aus den Bodenvorräten und weit gestellte Fruchtfolge. Zudem gedeiht Flachs, anders als Baumwolle, wunderbar vor unserer Haustür – die Hauptanbaugebiete sind küstennahe Agrarflächen in Nordfrankreich, Belgien und Holland – und ist daher als regionales Produkt in ökologischer Hinsicht per se schon der Baumwolle überlegen. Wenn also „normaler“, also konventioneller Flachsanbau, angeblich umweltverträglich ist, warum liegt es uns am Herzen für unsere Leinenprodukte Flachs aus kontrolliert biologischem Anbau, also kbA-Flachs, zu verwenden?

Zum konventionellen Anbau von Flachs

Weil bei näherer Betrachtung heutzutage im konventionellen Flachsanbau diese ursprünglichen Bedürfnisse der Flachspflanze genauso mit den Füßen getreten werden wie beim konventionellen Anbau anderer Nutzpflanzen auch. Auch hier geht es um Ertragsmaximierung und für diese werden viele jener Mittel eingesetzt, die allgemein in der konventionellen Landwirtschaft üblich sind:

Einsatz von Herbiziden

So kommen auch hier vor der Aussaat gelegentlich Totalherbizide, also Unkrautvernichtungsmittel, zum Einsatz, die alle Unkräuter beseitigen. In jedem Fall werden nach dem Auflaufen der Flachspflanzen mehr oder weniger umweltverträgliche Pflanzengifte, Herbizide, eingesetzt, ohne die der Flachs von seinen Konkurrenten überwuchert würde. Alle, auch die verträglichsten Herbizide, führen zu messbaren Veränderungen im Wuchs der Flachspflanzen und damit möglicherweise auch zu einem Rückgang der bereits in der jungen Pflanze angelegten Faserqualität.

Gebeiztes Saatgut

Die Leinsamen, die als Saatgut in die Erde verbracht werden, sind gebeizt, das heißt, sie wurden als Schutz gegen Pilzbefall und tierische Schädlinge mit entsprechenden Giften behandelt.

Zunächst Stickstoff und Kalium, dann Halmverkürzer

Während des Pflanzenwachstums werden die natürlichen Bedürfnisse der Flachspflanze übererfüllt, indem zunächst häufig das Wachstum durch Stickstoffdüngung gepuscht wird, dann jedoch, wie im Getreideanbau auch, vor allem bei feuchtem und warmem Wetter in der Streckungsphase des Flachses Halmverkürzer eingesetzt werden. Diese sollen dafür sorgen, dass die Stängel nach der Düngung nicht zu schnell zu lang werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich die Flachspflanze nach dem nächsten Regen hinlegt, „ins Lager geht“. Gleichzeitig wird Kalium gedüngt, das ebenfalls ein zu schnelles Wachstum der Flachshalme verhindern soll.
In „guten“ Betrieben wird allerdings am Ende des Winters die Stickstoffmenge im Boden bestimmt. Ist viel Stickstoff enthalten wie nach milden regenreichen Wintern, wird dann auch im konventionellen Anbau kein Stickstoff gedüngt. Anders sieht es allerdings auf kargen Böden aus. Dort ist unter sonst gleichen Bedingungen nur ein Drittel bis die Hälfte des mineralisierten Stickstoffs vorhanden. Hier zeigen die Flachspflanzen im konventionellen Anbau klare Mangelsymptome, wenn kein rasch pflanzenverfügbarer Stickstoff künstlich hinzu gegeben wird.

Einsatz von Insektiziden und Fungiziden

Um ein Ausbreiten von Schädlingen zu verhindern, werden bei hohem Schädlingsaufkommen während des Pflanzenwachstums entsprechende Gifte, Insektizide, ausgebracht, die zum Beispiel Thripse oder Blattwanzen abtöten. Um Pilzbefall zu vermeiden, werden gelegentlich Pilzgifte, Fungizide, eingesetzt.

Zum ökologischen Anbau von Flachs

Was ist kbA-Flachs bzw. kbA-Leinen? Die Abkürzung kbA steht für den „kontrolliert biologischen Anbau“ der Flachspflanze. Was ist bei diesem ökologischen Anbau anders als beim konventionellen Anbau?

Ökologisches Gleichgewicht und Artenvielfalt

Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass der ökologische Landbau grundsätzlich naturnäher und ressourcenschonender ist. Auf langjährig ökologisch bewirtschafteten Flächen ist es generell so, dass das ökologische Gleichgewicht des Bodens und die Artenvielfalt viel weniger gestört werden als auf konventionell bewirtschafteten Flächen. Die gesunde Bodenflora und –fauna, also das „Lebendige“ im Boden, kann zum Beispiel ein mögliches Überangebot an Stickstoff besser abpuffern und andererseits Nährstoffe für die Ernährung der Nutzpflanzen besser zugänglich machen. Daneben ist die Nährstoffauswaschung aus ökologisch bewirtschafteten Flächen deutlich geringer als bei konventionell genutzten Flächen und daher viel schonender für unsere Gewässer. Da im ökologischen Landbau außerdem Mineraldünger nicht erlaubt ist, werden durch geschlossene innerbetriebliche Nährstoffkreisläufe erhebliche Mengen fossiler Energie eingespart, die ansonsten für die Herstellung von Mineraldünger aufgewendet werden müssten.

Flächenauswahl

Zunächst werden von vornherein für den Flachsanbau keine Flächen mit bekannt hohem Unkrautdruck ausgewählt. Im kontrolliert biologischen Anbau sind vor allem Strunk bildende Arten wie Raps, Distel oder Gänsefuß nicht tolerierbar, weil sie den Ablauf der Ernte massiv stören. Wurden bei vorangegangenem Flachsanbau auf dem gleichen Feld typische Schadpilze beobachtet, muss mindestens sieben Jahre bis zu einem erneuten Anbau gewartet werden. Manche aggressiven Pilzarten überleben bis zu zwanzig Jahre. Wenn kein Pilzbefall festgestellt wurde, spricht nichts gegen einen wiederholten Anbau von Flachs auf dem gleichen Acker bereits nach vier bis fünf Jahren.

Fruchtfolge

Flachs ist im Ökolandbau eine geeignete Vorfrucht, weil während der Tauröste (siehe auch unten) der Großteil der aufgenommenen Nährstoffe in den Acker zurückkehrt. Gern wird Flachs nach Winterweizen angebaut, aber auch ein Anbau nach Kartoffeln passt gut, weil dann der Unkrautdruck gering ist.

Saatbettvorbereitung

Bei der Saatbettvorbereitung, zu der im konventionellen Anbau manchmal Totalherbizide zum Einsatz kommen, wird im Ökoanbau je nach herrschenden Bedingungen das aufkeimende Unkraut durch ein bis drei Arbeitsgänge durch Herausreißen und Verschütten mechanisch gestört.

Nicht gebeiztes Saatgut

Die als Saatgut ausgebrachten Leinsamen sind, anders als im konventionellen Anbau, nicht gebeizt, also naturbelassen und nicht mit Giften behandelt. Allerdings stammte auch das hier verwendete Saatgut von Flachspflanzen aus konventionellem Anbau, da den Saatgutzüchtern die zusätzlichen Risiken des Öko-Anbaus zu unkalkulierbar sind. Nach EU-Recht dürfen Landwirte kein selbst auf ihren Feldern erzeugtes Saatgut verwenden.

Aussaat

Eine deutlich höhere Menge an Saatgut muss im Ökoflachsanbau im Vergleich zum konventionellen Anbau ausgebracht werden, 5 bis 7 %. Dies ist notwendig, um Fraßverluste durch Schädlinge auszugleichen und sich die Option der Unkrautbekämpfung durch Striegeln (s. unten) offen zu halten. Beim Aussäen ist in vielerlei Hinsicht äußerste Sorgfalt gefragt, da hier durch Unachtsamkeit entstandene Störfaktoren wie zum Beispiel starke Verunkrautung nicht durch Spritzmittel ausgeglichen werden.

Wenn der Flachs wächst

Nachdem viel Erfahrung und Aufmerksamkeit in die Aussaat gesteckt wurde, kann der Biobauer, während der Flachs allmählich größer wird, kaum noch eingreifen. Lauschen und lernen ist hier die Devise. Wenn es doch zu extremem Schädlingsbefall kommt, so können zum Beispiel Thripse nach einer Sonderregelung mit Chrysanthemenextrakt behandelt werden. Unkräuter können kurz nach dem Aufgang der Saat durch Striegeln beseitigt werden. Hier entfernt eine Art Rechen den ungewollten Beiwuchs, aber gleichzeitig leider auch einen Teil der Flachspflanzen.

Ernte

Die Ernte von ökologisch angebautem Flachs erfordert generell ein besseres Management als die Ernte von konventionellem Flachs. Das Herausziehen der Flachspflanze aus der Erde samt Wurzel wird Raufen genannt. Nach dem Raufen bleiben die Flachspflanzen für die Tauröste (s. unten) auf dem Acker liegen. Vor allem in feuchten Jahren kann der verstärkte Wuchs von bis dahin unauffälligen Unkräutern nach dem Raufen zu einem Totalausfall der Ernte führen. Ist zum Beispiel Raps als Unkraut auf dem Acker, so macht er nach dem Raufen einen derart großen Wachstumssprung, dass er die auf dem Feld abgelegten Flachspflanzen hochhebt und verdreht. Eine Möglichkeit dies zu verhindern ist ein Mulchgerät unter der Raufmaschine, das störende Unkräuter während des Raufens zerhackt.

Verarbeitung und Ertrag

Im Unterschied zu anderen Nutzpflanzen verbleibt der Flachs nach der Ernte normalerweise für die Tauröste auf dem Acker. Die Tauröste ist sowohl im konventionellen als auch im ökologisches Flachsanbau die gängige Methode, um die begehrten Pflanzenfasern freizulegen, aus denen dann Leinen entstehen kann. Die Tauröste wird in einem Zeitraum von drei bis sieben Wochen hauptsächlich von Pilzen, die auf dem Feld vorhanden sind, bewerkstelligt. Die Erfahrung zeigt, dass im ökologischen Anbau durch die prinzipielle Abwesenheit von Fungiziden, also Pilzgiften, die Röste etwas schneller und gleichmäßiger verläuft als im konventionellen Anbau, da die Pilze nicht bei ihrer Arbeit gestört werden.
Verallgemeinernd kann man sagen, dass sich auf guten Böden, bei perfekter Aussaat, viel Sonne und Wind sowie optimaler Ernte keine Unterschiede im Faserertrag von konventionell und ökologisch angebautem Flachs feststellen lassen. Die Faserqualität von kbA-Flachs ist auch infolge des fehlenden Pestizideinflusses mindestens gleichwertig. Das Flachswerg von kbA-Flachs ist allerdings schlechter, weil es durch Unkrautreste verschmutzt ist.
Eine gute Ernte ist bei kbA-Flachs jedoch viel stärker von günstigen Wetterverhältnissen abhängig als bei konventionellen Flachs, da ungünstige Wachstums- und Erntebedingungen nicht mit harten Maßnahmen ausgeglichen werden. Dies führt logischerweise zu deutlich höheren Preisen für kbA Flachs als für herkömmlichen Flachs, da eventuelle Missernten finanziell ausgeglichen werden müssen. Im konventionellen Flachsanbau kalkuliert man mit einer Missernte alle sieben Jahre, im ökologischen Flachsanbau alle vier bis fünf Jahre. So waren zum Beispiel die Jahre 1987, 1994 und 2001 in Schleswig-Holstein solche Missernten im Bereich Öko-Flachs zu verzeichnen. Auch das Jahr 2012 war für den ökologischen Flachsanbau ein extrem schlechtes Jahr.